Compliance-Untersuchungen -

Verfassungsbeschwerden von VW und Jones Day erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit den am 06.07.2018 veröffentlichten Beschlüssen vom 27.06.2018 (2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17, 2 BvR 1562/17, 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17) zwei Verfassungsbeschwerden der Volkswagen AG, zwei Verfassungsbeschwerden der Rechtsanwaltskanzlei Jones Day und eine Verfassungsbeschwerde dort tätiger Rechtsanwälte nicht zur Entscheidung angenommen. Mit den Verfassungsbeschwerden hatten sich die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Durchsuchung des Münchener Büros der Rechtsanwaltskanzlei Jones Day, die Bestätigung der Sicherstellung der dort aufgefunden Unterlagen zum Zwecke der Durchsicht sowie die diese Maßnahmen bestätigenden Entscheidungen der Fachgerichte gewendet.

Die Verfassungsbeschwerde von Jones Day und seiner dort tätigen Rechtsanwälte wurde bereits aus formalen Gründen abgewiesen. Jones Day sei als Rechtsanwaltskanzlei mit hauptsächlichem Geschäftssitz in einem Nicht-EU-Staat nicht grundrechtsfähig und deshalb nicht beschwerdeberechtigt. Eine Beschwerdebefugnis der dort tätigen Rechtsanwälte sei mangels Betroffenheit individueller Rechte ebenfalls nicht ersichtlich.

Nach Auffassung des BVerfG seien die vollzogenen Maßnahmen verfassungsrechtlich aber auch nicht zu beanstanden. Zur Begründung hat die 3. Kammer des Zweiten Senats angeführt, dass die Volkswagen AG durch die Sicherstellung weder in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei und im Hinblick auf die Durchsuchung kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Eine Beschlagnahmefreiheit von Unterlagen aus Internal Investigations bestehe nur dann, wenn das Unternehmen Betroffene oder (Einziehungs-)Beteiligte eines Ermittlungsverfahrens sei oder wenn eine solche Stellung nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens naheliege. Alleine die Befürchtung des Unternehmens, künftig von einem Ermittlungsverfahren betroffen zu sein, genüge hierfür noch nicht.

Das BVerfG räumt in seiner Nichtannahmeentscheidung den Interessen an einer effektiven Strafverfolgung den Vorrang vor Verteidigungsinteressen des Unternehmens ein. Selbst die Durchsuchung von Rechtsanwaltskanzleien soll verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, obwohl § 160a StPO jede Ermittlungshandlung gegen alle Anwälte verbietet. Damit hat die 3. Kammer den Anwaltsschutz in § 160a StPO faktisch ausgehöhlt, obwohl es dem Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift gerade darauf ankam, die Rechte der Rechtsanwälte an die der Strafverteidiger anzugleichen. Das blieb vom BVerfG indes unberücksichtigt. Insoweit ist auch die Begründung, es bestünde die Gefahr, Beweismittel könnten bewusst in die Sphäre des Rechtsanwalts verlagert werden, nicht überzeugend. Denn von einem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ist zu erwarten, dass er sich entsprechend seiner abgegebenen Verpflichtungserklärung verhält und nicht an Handlungen mitwirkt, die dem Zwecke der Strafvereitelung dienen.

Die Folgen dieser Entscheidungen sind nicht nur für VW weitreichend, sondern auch für alle Kanzleien und Unternehmen, die sich mit internen Ermittlungen beschäftigen. Sie stehen zudem im diametralen Widerspruch zu den aktuellen Bestrebungen des Gesetzgebers, Internal Investigations als Mittel effizienter Compliance-Maßnahmen und des hiermit einhergehenden Selbstreinigungsprozesses im Rahmen der Überlegungen für ein Unternehmenssanktionsrecht zu stärken. Denn effektive interne Ermittlungen sind ohne entsprechenden Beschlagnahmeschutz anwaltlicher Unterlagen nicht möglich.

(Beschlüsse des BVerfG vom 27.06.2018 – 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17, 2 BvR 1562/17, 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17)

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